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Wir wollen ein freundliches Theater: Pressemitteilung zur Jahreskonferenz Dresden 2022

Pressemitteilung zum Ende der Jahreskonferenz „Die Kunst der Begegnung“ in Dresden Juni 2022

Wir wollen ein freundliches Theater

Jugendliche & junge Erwachsene fordern ein freundlicheres Theater bei der Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft am tjg. theater junge generation in Dresden

Das Anstiften, Inszenieren und Ermöglichen von Begegnungen müsse künftig eine der großen Aufgaben der Theater sein, hatte die Dramaturgische Gesellschaft gefordert. Die Theater müssten noch viel mehr als bisher Orte des Austausches und des Verhandelns des Gemeinsamen und der produktiven Differenzen der Gesellschaft werden, Orte für Streiten mit Stil, „safer spaces“ und solidarische Orte. Daran hatte die dg ihre gesamte Jahreskonferenz DIE KUNST DER BEGEGNUNG ausgerichtet, die auf Einladung des tjg.theater junge generation vom 23. bis 26. Juni 2022 in Dresden stattfand.

Theaterpädagog*innen in Leitungsteams

Unterstützung bekam die dg vom neu gegründete YOUNG THINK TANK, einer Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener zwischen 14 und 20 Jahren, die zu Beginn der Konferenz in einem Manifest die Zukunftsversion eines „freundlicheren Theaters“ entwarf, in dem „Begegnungen nicht so schwierig sind“, in dem „nicht nur wenige sprechen“, das wesentlich „offener“ als bisher ist. Ihr Theaterverständnis formulieren sie so: „Wir wollen wirklich ein Begegnungsraum sein, wir wollen ein Event sein, das Spaß macht“. Zum Abschluss der Tagung während der Mitgliederversammlung nahm der YOUNG THINK TANK die Mitglieder mit auf eine Traumreise in ein Theater der Zukunft, in der Theaterpädagog*innen feste Bestandteile der Leitungsteams an Theatern sind.

Kein Nachwuchs im Kulturjournalismus?

Brigitte Dethier, Intendantin des Jungen Ensembles Stuttgart, forderte die Stadt- und Staatstheater auf einem Podium dazu auf, „nicht nur die Formate zu übernehmen, sondern die Expertise“, die sich im Kinder- und Jugendtheater und in der Freien Szene aufgebaut haben. FAZ-Redakteurin Eva-Maria Magel sieht gerade auch in der Kulturpolitik „eine unglaubliche Entwicklung im Bereich für junges Publikum.“ Aber es brauche Geduld, denn: „Strukturen zu verändern dauert“. Zugleich wies sie auf einen grundlegenden Mangel hin: Es werde immer schwerer, junge Journalist*innen zu finden, die langfristig bereit seien, für Kulturberichterstattung jeden Abend ins Theater zu gehen.

Ukrainer*innen als Publikum

Dass Freundlichkeit allein nicht reicht, darauf wies die ukrainische Dramatikerin und Regisseurin Anastasiia Kosodii ebenfalls auf einem Podium hin: Die Aufgabe, die sich Exilautor*innen nun stelle, sei, für ein deutsches und ein ukrainisches Publikum zugleich zu schreiben – aber auch, der eigenen, traumatischen Erfahrung Raum zu geben, die das deutsche Publikum nicht teilt. Es gehe einerseits darum, den „Point of Connection“ zwischen beiden Zuschauer*innengruppen zu finden – und andererseits müssten die deutschen Theater überhaupt erst anfangen, Ukrainer*innen nicht nur als Geflüchtete, sondern auch als ihr Publikum zu begreifen, und dafür Übertitel, mehrsprachige Veranstaltungen und generelle Offenheit bereitzustellen.

Auf einem Podium über die Fragen des Ostens an den Osten und den Rest des Landes forderte Soziologin Julia Gabler (Hochschule Görlitz-Zittau) die Kunst auf: „Geht auf die Straßen, lasst uns gemeinsam etwas für die Gemeinschaft tun!“

Wutrede des Kleist-Förderpreisträgers Amir Gudarzi

Der diesjährige Kleist-Förderpreisträger Amir Gudarzi eröffnete die Konferenz mit einer Wutrede, in der er die Theaterbranche aufforderte, eine „Gerade-Rückung der eigenen Begrifflichkeiten in der eigenen Wahrnehmung“ vorzunehmen und sich klarzumachen, dass viele Linke sich wie Rechte verhielten, wenn es um die eigenen Privilegien ginge. Er forderte diversere Stoffe, „mehr Menschen mit anderer Herkunft und anderen Lebensrealitäten in Jurys und Dramaturgien“ und fragte: „Was wäre daran verwerflich, dass die sogenannte Mehrheitsgesellschaft auch einige Stücke sieht, in denen sie selbst vielleicht nicht vorkommt?“.

Digital DG

Überlaufen war die Veranstaltung „Unboxing Stages“, die Gegenwart und Zukunft des digitalen Theaters und dessen strukturelle Rückwirkungen auf das analoge Theater untersuchte – die hohe Resonanz zeigt, wie wichtig das Thema für die Theater bleibt. Noch auf der Tagung hat sich im Anschluss an das Panel ein „digitaler Gesprächskreis“ gegründet, der in Zusammenarbeit mit der dg das Feld auch in Zukunft weiter ausloten wird.

Viertägiges Treffen von über 250 Dramaturg*innen

Über 250 Dramaturg*innen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum trafen auf zahlreiche Expert*innen für Begegnungen, u.a. God´s Entertainment, Jule Govrin, Wanja Saatkamp, Vivan und Ketan Bhatti, Jan Kress, Gabi dan Droste, Katharina Brankatschk, Pulk Fiktion, die Geheime Dramaturgische Gesellschaft, Sivan Ben Yishai und viele mehr.

Begleitet vom neugegründeten Young Think Tank der dg und von Kindern und Jugendlichen der Theaterakademie des tjg gab es zahlreiche interaktive und Begegnungsformate, u.a. eine ausführliche dramaturgische Beratung durch Kinder ab 8 Jahren.  Zahlreiche Partner*innen haben eigenständig Slots innerhalb der Konferenz bespielt: Der Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage, das ITI, das Kinder- und Jugendtheaterzentrum Deutschland (KJTZ) und das netzwerk regie veranstalten im Rahmen der Konferenz eigene Formate, ebenso wie die Kulturstiftung des Bundes anlässlich ihres Förderprogramms „Jupiter“.

Die Jahrestagung wurde mitfanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts, gefördert durch den Deutschen Bühnenverein/Landesverband Sachsen und die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen sowie dem Förderprogramm KULTUR.GEMEINSCHAFTEN und von unseren Kooperationspartnern Kulturstiftung des Bundes im Rahmen des Programms „Jupiter – Darstellende Künste für junges Publikum“, dem Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland (KJTZ), dem Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage und dem Deutschen Zentrum des Internationalen Theaterzentrums (ITI).