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Pressemitteilung zum Auftakt der Jahreskonferenz 2025 in Nürnberg

Zum KONFERENZPROGRAMM

Pressemitteilung 3.2.2025

“remember – resist – represent”

Dramaturgische Gesellschaft tagt vom 6.-9.2. 2025 in Nürnberg zu multiperspektivischem Erinnern und antifaschistischem Widerstand

Die Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft (dg) steht 2025 unter der Überschrift „remember resist represent. Über Solidarität und Haltung in polarisierten Zeiten” und setzt damit ein deutliches Zeichen gegen den politischen Rechtsruck und die Polarisierung des politischen Diskurses.

Gastgeber ist das Staatstheater Nürnberg und somit der Austragungsort der Tagung eine Stadt, deren Geschichte als Schauplatz zentraler Ereignisse der NS-Zeit und der Nürnberger Prozesse wie kaum ein anderer Ort in Deutschland als politische Mahnung dienen kann.

Weitere Kooperationspartner vor Ort sind die Nürnberger Tafelhalle, die Stadt Nürnberg mit der Stabsstelle Ehemaliges Reichsparteitagsgelände und das Festival Musik Installationen Nürnberg, das Memorium Nürnberger Prozesse sowie überregional das Theater Dortmund mit der Akademie für Theater und Digitalität Dortmund, die Heinrich-Böll-Stiftung, das Deutsche Zentrum des Internationalen Theaterinstituts (ITI), und die Körber-Stiftung. Die langjährigen Partnerschaften mit dem Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage und dem Kleist-Forum Frankfurt/O. nicht zu vergessen. Alle diese Kooperationspartner*innen haben das Programm der diesjährigen Tagung mit ihrer Expertise unterstützt und inspiriert. Gefördert wird die Tagung erstmals vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung, vom Deutschen Bühnenverein mit seinem Landesverband Bayern und dem Landesbühnenausschuss sowie in Medienpartnerschaft mit Die Deutsche Bühne, dem Magazin des Deutschen Bühnenvereins.

Mit einer Rekordanmeldungszahl von bereits über 350 akkreditierten Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Akteur*innen der Zivilgesellschaft und Theaterschaffenden zeichnet sich schon jetzt ab, dass das Thema den Nerv der Zeit getroffen hat. Die Jahrestagungen der dg verstehen sich als Plattform und Netzwerkveranstaltungen für Theatermacher*innen, Dramaturg*innen, Studierende und alle anderen Interessierten zu Themen aktueller politischer Relevanz und der gesellschaftlichen Funktion von Theater.

Der Ort des Diskurses: Nürnberg
Wie erinnern wir uns? Wie leisten wir Widerstand? Und wie können Theater diese Themen in ihrer Arbeit und auf ihren Bühnen verankern? Nicht nur die aktuelle politische Situation in Österreich und die alarmierenden Ergebnisse der letzten Landtagswahlen in Deutschland sowie der Wahlen in den USA und in anderen europäischen Ländern, sondern auch die politischen Ereignisse und gesellschaftlichen Entwicklungen seit Beginn des Ukraine-Kriegs und seit dem 7. Oktober machten die Themensetzung um Erinnerungskultur und Antifaschismus virulent und notwendig.

Ziel des Tagungsprogramm ist es, nicht nur Debatten zu führen, sondern auch die Handlungsfähigkeit und Resilienz von Theatermacher*innen zu stärken. Der Einfluss rechter Kräfte auf Kulturinstitutionen – von Programmen über Personalentscheidungen bis hin zur Budgetierung – nimmt zu. Wie gelingt es, Solidarität zu üben, Angriffe abzuwehren und als Theaterlandschaft geschlossen für Demokratie und Vielfalt einzutreten?

Erinnerung als politisches Handeln
Die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und deren Bedeutung für Gegenwart und Zukunft bildet einen Schwerpunkt der Tagung – aber auch jüngere und immer noch unterrepräsentierte Felder der Erinnerungsarbeit sind im Programm vertreten. “Wie wird multiperspektivisches Erinnern solidarisch?” ist dabei eine Leitfrage der Konferenz. Den Auftakt macht die Leiterin des NS-Dokumentationszentrums in München, Mirjam Zadoff, mit einem Impuls zum Tagungsthema und der Frage, wie Erinnerungskultur, Widerstand und Repräsentation zusammenhängen, gefolgt  von einer Diskussion mit Mirjam Zadoff und Julian Warner, aktuell Leiter des Augsburger Brechtfestivals, sowie Prof. Tanja Thomas, Medienwissenschaftlerin und Begründerin des Projekts “Doing Memory”, moderiert von Martín Valdés-Stauber, Dramaturg, Regisseur, Autor und Begründer des erinnerungskulturellen Projekts “Schicksale” an den Münchner Kammerspielen.

Im Gespräch mit  Hans-Werner Kroesinger und Regine Dura, Jan Lazardzig, Stella Leder und Felicitas Friedrich wird es um die Nazivergangenheit der Theater und Theaterwissenschaft gehen; mit Johannes Casimir Eule, Stephan Trüby und Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner wird die Frage bearbeitet, wie ehemalige Nazibauten wie das Reichsparteitagsgelände benutzt oder verwaltet werden sollten; das Künstler*innenduo Wojtek Blecharz & Vala T. Foltyn gibt Einblicke in ihre Arbeit an „Queer Magick Intervention“; Tümay Kılınçel untersucht den “Bauchtanz” erinnerungspolitisch; Sivan Ben Yishai, Mohammad al Attar, Anna Kolomiitseva sprechen über das Schreiben und Theatermachen zu transgenerationellenTraumata; Ibrahim Arslan gibt einen Workshop zum Thema Erinnerungsarbeit der Betroffenen von rechtsradikaler Gewalt; Chana Dischereit, Akim Gubara und Ibrahim Arslan unterhalten sich über neue Gedenkkulturen, den Kampf gegen Rassismus und wie Erinnerungspolitik zum Werkzeug für Veränderung wird. Um unterschiedliche künstlerische Strategien im Umgang mit Erinnerung geht es auf einem Podium mit Blecharz/Foltyn, Nuran David Calis, Vanessa Amoah Opoku, Beata Anna Schmutz und Leon Kahane. Und Danielle Brathwaite-Shirley schlägt am Samstagvormittag die Brücke mit der Keynote “From Remember to Resist. Negotiating Collective Traumata with Playful Media Art”.

Aktivismus, Kunst und Repräsentation
Wie kann Kunst antifaschistischen Widerstand leisten, ohne in Symbolik zu verharren? Welche Rolle spielen Künstler*innen in einer polarisierten Gesellschaft? Die Tagung beleuchtet aktuelle Konflikte innerhalb der Kunst- und Kulturszene, darunter Fragen nach „Cancel Culture“, Antisemitismus und Solidarität. Ziel ist es, einen Umgang mit politischem Aktivismus in der Kunst zu finden, der Handlungsfähigkeit stärkt, ohne Spaltungen zu vertiefen.

Über die “Wehrhafte Demokratie” sprechen Heinrich Horwitz, Martina Mittenhuber, Arne Semsrott, und Birgit Mair; Arne Semsrott gibt einen Workshop darüber, wie investigativer Journalismus, Leaks und ziviler Widerstand Werkzeuge im Kampf gegen politische Bedrohungen sein können. Marc-Oliver Krampe von der Bundesakademie Wolfenbüttel stellt in einem Workshop die BETZAVTA-Methode zur Einübung von mehr demokratischer Praxis vor; Dr. Iwona Uberman, Aljoscha Begrich u.a. sprechen über aktuelle Angriffe auf die Theater von rechts. LIGNA stellen in ihrem Workshop ihr Projekt “Zorn und Rausch. Studien zum Autoritären Charakter” vor. Workshops zu Antisemitismus und unserem diskursiven Umgang mit aktuellen Kriegen und Krisen ergänzen das Programm.

Autor*innen, Komponist*innen, Verleger*innen

Im Rahmen der langjährigen Kooperation der dg mit dem Verband Deutscher Medien- und Theaterverlage werden in Autor*innengesprächen und einem Komponist*innengespräch Lisa Sommerfeldt, Konstantin Küspert, Özlem Özgül Dündar und Anno Schreier (Komposition) ihr Schaffen vorstellen und der Verband lädt zum alljährlichen Verleger*innenempfang ein. Außerdem wird das Gewinnerstück des Kleist-Förderpreises 2025, „Blutbrot“ von Miriam Unterthiner, in einer szenischen Lesung von Schauspieler*innen des Staatstheaters Nürnberg vorgestellt, in Kooperation mit dem Kleist-Forum Frankfurt (Oder).

Schwerpunkt Digitalität

In Zusammenarbeit mit der Akademie für Theater und Digitalität Dortmund, dem eCommemoration Programm der Körber-Stiftung sowie der digitalen Spielstätte des Staatstheaters Nürnberg (Extended Reality Theater – XRT) legt die Tagung einen eigenen Schwerpunkt auf die Digitalität und die Bedeutung digitaler Medien für Erinnerungsarbeit und Aktivismus in der Kunst. Katie Hawthorne, Nico Parisius, Lex Rütten &Jana Kerima Stolzer, Yves Regenass, Fabian Raith sind ehemalige Fellows der Akademie und stellen in Tischgesprächen sich und ihre Projekte vor. Von AR- Walks zu Hackathons, von interaktiven Installationen zu virtuellen Denkmälern – neue Medien und digitale Tools ermöglichen ganz neue Formen des Erinnerns und der Teilhabe. In ihrem Eröffnungsimpuls spricht Katie Hawthorne über digitale Technologien, die radikale Akte des Gedenkens ermöglichen, aber auch als Mittel der historischen Auslöschung eingesetzt werden. Anna Norpoth und Felix Fuhg, Programmleiter*innen der eCommemoration der Körber-Stiftung, erkunden in ihrem Workshop “Werke und Werkzeuge digitaler künstlerischer Geschichtserzählungen und spekulativer Vergangenheitsmodelle”; Caspar Weimann stellt in einem Workshop künstlerische Strategien zur De-Radikalisierung auf Social Media vor; Arne Vogelgesang geht in einer Lecture dem rechten Kampfbegriff „Frühsexualisierung“ auf den Grund und zeigt mit Videobeispielen von rechtem theatralischen Netzaktivismus, wie „Normalsein“ inszeniert und als politische Waffe eingesetzt wird.

Auftakt & Abschluss
Zum Auftakt der Tagung am Donnerstagabend ab 22 Uhr im Foyer des Schauspielhauses am Staatstheater Nürnberg bringt Bülent Kullukcu die “Songs of Gastarbeiter” nach Nürnberg, ein popkulturelles Portrait und musikalisches Erinnerungsprojekt. Zum Abschluss, am Sonntag um 13 Uhr in der Nürnberger Tafelhalle schaut die Konferenz in die Zukunft und versucht sich mit den Gäst*innen an Visionen für erinnerungspolitisches Handeln und Aktivismus, mit Ibou Diop, Lena Gorelik, Caspar Weimann und Jens-Christian Wagner sowie einem Abschlussplädoyer von Ayşe Güvendiren. Was können wir, was können Institutionen wie Museen, Gedenkstätten, Theater jetzt tun?